19 Jan

Das Amtsgericht (AG) Papenburg hat mit Urteil vom 10. März 2016 entschieden (20 C 322/15), dass allein die Tatsache, dass ein Fahrzeughalter sein Auto mit Sommerreifen versehen hat, den Versicherer nicht beim Unfall im Winter nicht berechtigt, sich auf grobe Fahrlässigkeit zu berufen.

Ein Mann und späterer Kläger war Mitte Januar 2015 gegen fünf Uhr morgens mit seinem PKW von der Fahrbahn abgekommen und gegen einen Baum geprallt. Den dadurch entstandenen Fahrzeugschaden in Höhe von ca. 5.400,- € machte er gegenüber seinem Vollkaskoversicherer geltend, welcher sich aber nur zur Hälfte an den Aufwendungen beteiligen wollte. Ablehnungsgrund: das Fahrzeug sei zum Zeitpunkt des Unfalls nachweislich mit Sommerreifen ausgestattet gewesen. Darüber hinaus sei der Kläger angesichts der Witterungsverhältnisse offenkundig zu schnell gefahren, habe dadurch ein nicht mehr zu kalkulierendes Risiko heraufbeschworen und den Schaden daher grob fahrlässig verursacht.
Der Versicherte sah das anders, da zum Zeitpunkt des Unfalls keine winterlichen Straßenverhältnisse bestanden hätten und die Fahrbahn völlig frei und problemlos zu befahren gewesen wäre. Es gab weder Schnee-, Eis- noch Reifglätte.
Eine Leistungskürzung wegen grober Fahrlässigkeit sei jedoch nur dann angemessen, wenn die Sommerreifen kausal gewesen seien. Aufgrund der zum Zeitpunkt des Unfalls herrschenden Witterungsverhältnisse war davon nicht auszugehen. Ferner sei er nicht zu schnell gefahren. Unklar war ihm, warum er mit seinem Fahrzeug von der Straße abgekommen sei.
Das AG Papenburg gab der Klage gegen den Versicherer auf Erstattung der restlichen 50% der Reparaturkosten statt.
Die Beweisaufnahme ergab, dass die Temperatur zum Unfallzeitpunkt plus 1,8 Grad Celsius bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von 87,1 % betragen und es weder geschneit noch geregnet habe.
Der als Zeuge befragte Beifahrer des Klägers bestätigte dies und gab auch an, dass das Fahrzeug bis zum Zeitpunkt des Unfalls weder gerutscht sei, noch dass es andere Probleme gegeben hatte. Die Straßen seien frei gewesen. Die am Unfallort zulässige Höchstgeschwindigkeit hatte der Kläger eingehalten.
Daher sah das Gericht den Vorwurf des Versicherers, dass der Kläger den Unfall grob fahrlässig verursacht hatte, nicht für erwiesen an. Denn nach all dem kann jedenfalls nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass dem Kläger subjektiv ein erheblich gesteigertes Verschulden vorzuwerfen ist. Daher fehlt es unter Berücksichtigung der gesamten Umstände an einem grob fahrlässigen Verhalten.
Ferner kann nicht zwingend davon ausgegangen werden, dass der Unfall mit Winterreifen zu vermeiden gewesen wäre. Vor allem bei Eisglätte sei ein Abkommen von der Straße auch mit Winterbereifung nicht ausgeschlossen.
Auch aus anderen Gründen kann sich der Versicherer nicht auf einen Verstoß gegen die sog. Winterreifenpflicht berufen. § 2 Absatz 3a StVO schreibe zwar vor, dass bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch sowie Eis- und Reifglätte geeignete Reifen zu nutzen seien. Das führe jedoch nicht zu einer generellen Winterreifenpflicht.



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